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Brief von Max Bruch an Ernst RudorffMusikwissenschaftliches Institut KölnMax-Bruch-ArchivSignatur: Br. Korr. 154, 206

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Brief von Max Bruch an Ernst RudorffMusikwissenschaftliches Institut Köln ; Max-Bruch-Archiv

Signatur: Br. Korr. 154, 206


Bruch, Max (1838-1920) [Verfasser],Rudorff, Ernst (1840-1916) [Adressat]

Friedenau, 31.03.1912. - 8 Seiten, Deutsch. - Brief

Inhaltsangabe: Transkription: Friedenau, 31.3. 12M. L. Es ist mir leid, daß Du mit Influenza zu thun hattest; von derartigen Anfällen erholt man sich nur sehr langsam, wie ich aus Erfahrung weiß. Daß ich noch immer nicht bei Dir war, liegt erstens an meiner Frau, die mitkommen wollte u. doch tausend Abhaltungen hatte; und zweitens war ich oft wochenlang gemüthlich so deprimirt (eine Folge des Alters und meines Uebels!), daß ich mich in solcher Stimmung keinem aufdrängen wollte u. durfte. Wenn ich nun heute sage: „Ich komme nun bald“, so wirst Du ungläubig lächeln, denn wie oft habe ich das diesen Winter gesagt. Aber diesmal soll und muß es dazu kommen! – Ja, wahrlich, Du hast recht, wenn Du sagst: Difficile est satyram non scribere! Sind aber nun diese Dinge schon an sich schlimm genug, so ist es fast noch schlimmer daß von keiner Seite irgend ein Gegenstoß in der Oeffentlichkeit erfolgt. Die Begriffsverwirrung, die Urteilslosigkeit, der Mangel an Augenmaß sind heutzutage so groß, daß man dem Deutschen, soweit es sich um Kunstdinge handelt, alles bieten darf, ohne daß er mit der Wimper zuckt. Es ist nun einmal so: Michel, du bleibst das geduldige Schaf, denn über die Ohren läßt du dir ziehen das Fell, wie es von jeher geschah.Ich habe Grund zu glauben, daß keinem Andern als Kretzschmar die Universität Berlin diese Blamage zu verdanken hat; denn er hat jetzt dort die große Autorität u. das Orakel in Kunstdingen; er hat ohne Zweifel die Aufmerksamkeit der medicinischen Facultät auf M. Reger gelenkt („dessen süße Musik die Kranken gesund macht“, hieß es im Diplom!!!) und jetzt auf den alten Lisztianer Dräseke. Kretzsch. Ist jetzt der große Mann an der Universität, der Akademie und im Ministerium – aber überall wo er eingreift, da giebt‘s ein Unglück. Du weißt wohl, daß er, um Geld zu sparen, an der H.Sch. die Ensemble-Stunden (die ich immer zu den wichtigsten gezählt habe) abschaffen wollte. Darauf streikte Kahn, und Kr. mußte dann diese Maßregel, wie so viele andern, zurücknehmen. Seine ganze Leitung der H.Sch. ist u. bleibt eben ein diettantisches Experimentiren, die Schule wird bald so weit herunter sein, daß kein Hund mehr ein Stück Brot von ihr nehmen mag. – Dein Sohn schrieb mir Mitte März, daß er zur Regierung in Trier versetzt sei. Eigentlich wundere ich mich, daß Schmidt ihn gehen läßt, denn er wüßte doch H.s Fähigkeiten sehr zu schätzen, und ich nahm es daher als selbstverständlich an, daß er seine Carrière im Ministerium machen werde. Indessen – er, H., scheint mit dieser Versetzung sehr zufrieden zu sein. Ich denke mir aber, Trier wird nur ein Durchgangspunkt für ihn sein! – Jetzt möchte auch ich für 4 Wochen Reg.-Rath in Trier sein, um dort in der herrlichen Landschaft, an beiden Ufern des reizenden Flusses die Blüthenpracht zu genießen! Es muß nicht ganz leicht sein, sich im Frühling, in diesem Zauberland, mit Acten zu beschäftigen! – Schattsch. hat sich also an Dich gewendet. An mich diesmal nicht (früher sehr oft), und das ist gut, denn ich bin der Letzte, der ihm dort helfen könnte. Herr Schwickerath, ein verdorbener Jurist, der zur Musik überging (aber nicht einmal 8 Takte comp. kann), sich indessen unter Wüllner gute vocale Kenntnisse erwarb, gehörte mit Haut u. Haaren zu den Hyper-Modernen, und ich war in Folge dessen während sein langjährigen Regium‘s in Aachen (wie in Leipzig u.s.w.) geradezu boycottirt. Ich wäre also dort der denkbar ungeeignetste Fürsprecher. Die Zeiten sind längst dahin, wo Aachen sich für Frithjof bei der I. Auff. begeisterte. Ja, zum Glück bin ioch nicht auf Aachen angewiesen! – Schattsch. ist aber ein braver und tüchtiger Mensch, und verdient eine bessere Stellung. Er hat ja auch Deine Sinf., so viel ich weiß, zu Deiner vollen Zufriedenheit dirigirt. – Meine Tochter ist seit Ende Febr. bei Freunden in Rom u. kehrt erst Ende Mai (nach einer Mittelmehr [sic] – Fahrt) zurück. Sie schreibt uns lange, schöne u. anschauliche Berichte über alles. - Eben schickt mir Joh. Joachim 33 Briefe von mir an s. Vater, die ich für den Druck revidiren soll. Tempi passati!! – Immer Dein getr. M. Bruch.

Bemerkung: Max Bruch

Objekteigenschaften: Handschrift

Pfad: Max-Bruch-Archiv / Korrespondenz

DE-611-HS-4305668, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-4305668

Erfassung: 27. November 2025 ; Modifikation: 27. November 2025 ; Synchronisierungsdatum: 2025-11-27T15:14:16+01:00